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Hypnose: Magie oder Wissenschaft?

Hypnose kann helfen, Ängste zu überwinden, Schmerzen zu lindern oder das Rauchen aufzugeben. Das dokumentieren mehr als 200 wissenschaftliche Studien. Aber noch immer haftet der Methode aus der Psychotherapie ein unseriöses Image an, sagt die Psychologin Dr. Sarah Karrasch. Du kannst unser Gespräch hören oder hier in Auszügen lesen:

Sarah, woher kommen diese Vorurteile gegenüber der Hypnose?

In vielen Köpfen hat sich das Bild der Blitzhypnose eingebrannt. Bei ihr rennt jemand nach einer Suggestion wie eine verrückte Henne über die Bühne. Aber diese Art der Hypnose ist eine Showhypnose. Sie dient der Unterhaltung und hat mit der Hypnose, wie wir sie in der Psychologie kennen, nichts zu tun.

Gibt es denn auch in der Wissenschaft noch Vorbehalte gegenüber Hypnose?

Teilweise schon. Deswegen ist es mir ein großes Anliegen, Licht ins Dunkel zu bringen.

Was ist Hypnose genau?

Hypnose ist zum einen ein Entspannungsverfahren –  und zwar eines der ältesten der Welt. 4000 Jahre alten Überlieferungen aus dem Zweistromland zufolge versetzten sich die Menschen zu Heilungszwecken in die Trance, in einen sogenannten Tempelschlaf, der mit der heutigen Hypnose vergleichbar ist. Dann ist Hypnose ein Alltagsphänomen. Wir kennen den Zustand alle – etwa, wenn wir uns stark auf eine Tätigkeit konzentrieren und die Handlung gleichzeitig im Autopiloten ausführen wie auf langen Strecken auf der Autobahn. Hier spricht man von der sogenannten Highway Hypnosis. Und dann ist Hypnose ein Verfahren aus der Psychotherapie.

Wie funktioniert Hypnose als Therapieform?

Vereinfacht gesagt, gehen wir bei der Hypnotherapie davon aus, dass „schlechte“ Emotionen krank machen, „gute“ Emotionen gesund. Darauf können wir im Zustand der Tiefentspannung, der Trance, aufbauen. Wohl jeder Mensch hat beispielsweise eine Vorstellung davon, wie es sich anfühlt, geborgen zu sein – auch wenn er oder sie dieses Gefühl in der Kindheit vielleicht nicht erleben durfte. In der Hypnotherapie knüpfen wir, um im Beispiel zu bleiben, an diese ideale Vorstellung von Geborgenheit an und machen sie erlebbar. Das kann sehr heilsam sein. Dabei hilft, dass wir in der Trance einen guten Zugriff auf das Unbewusste haben, auf Vorstellungen, Gefühle und Erinnerungen, die im Alltagsgeschehen weniger zugänglich sind.

Die Hypnotherapie wurde 2006 vom Wissenschaftlichen Beirat als wissenschaftlich begründete Psychotherapiemethode anerkannt. Ist das nicht Grund genug, ihr zu vertrauen?

Einerseits ja. Es gibt gute Evidenz bei psychosomatischen Beschwerden, Angst und Angststörungen. Vor kurzem hat die Universität Tübingen auch zu Depressionen eine breit angelegte randomisierte kontrollierte Studie durchgeführt, die dem Goldstandard der Forschung entspricht. Ebenso gibt es Belege für die Wirksamkeit der Hypnose bei psychosomatischen Beschwerden wie dem Reizdarmsyndrom und bei Schmerzen. Aber damit irgendwann die Krankenkassen die Hypnotherapie als Leistung übernehmen, muss noch mehr geforscht werden – und das Problem ist, dass – unter anderem durch die Mystifizierung der Hypnose – oftmals Gelder für große Studien fehlen.

Welche Studie hat dich am meisten beeindruckt?

Wir sehen in Studien immer wieder, dass sich durch den hypnotischen Entspannungszustand Immunparameter verändern und Abwehrkräfte gestärkt werden. In einer Studie hat man gesehen, dass bei Menschen mit einer Veranlagung zu Herpes die Ausbrüche nach acht Sitzungen Gruppenhypnose um 50 Prozent zurückgegangen sind. Ich habe selbst Herpes, und weiß, was es bedeutet, mit den Bläschen an der Lippe zu kämpfen zu haben – und dieses Studienergebnis hat mich positiv überrascht!

Du hast deine Doktorarbeit zur Hypnose an der Universität Ulm geschrieben und dafür den Nachwuchsförderpreis der Milton Erickson Gesellschaft erhalten. Womit hast du dich beschäftigt?

Ich habe die biomolekulare Wirksamkeit von Hypnose auf Ebene von Blut und Zellen erforscht und mir angesehen, wie sich eine einmalige Entspannungshypnose von 20 Minuten Dauer auf Körper und Geist ausgewirkt. Auf subjektiver Ebene konnte ich durch die Auswertung von Fragebögen feststellen, dass sich die Teilnehmenden nach nur einer Hypnose weniger ängstlich und depressiv fühlten. Auch im Blutbild gab es Veränderungen. Hier habe ich gesehen, dass nach der Entspannungshypnose die roten Blutkörperchen reduziert und das Blutplasma erhöht waren. Das heißt, das parasympathische Nervensystem wurde aktiviert, der Körper hat sich merklich entspannt.

Das heißt, ängstliche oder depressive Menschen können von einer reinen Entspannungshypnosen profitieren –  von einer Hypnose, die gar nicht therapeutisch ausgerichtet sind?

Genau. Der Zustand der Entspannung, ausgelöst durch eine Entspannungshypnose, behebt nicht die Ursache des Problems, kann aber sehr hilfreich sein, um sich zu erholen und dadurch körperlich und geistig besser aufzustellen. Das kann man in einem Moment, in dem es einem schlecht geht, gut für sich nutzen. Aber auch präventiv sind Entspannungshypnosen sinnvoll. Durch den vorbeugenden Einsatz lässt sich die körperliche und seelische Gesundheit besser erhalten.

Welchen Tipp hast du für jemanden, der noch nicht viel mit Hypnose zu tun hatte und sich für deren positive Effekte interessiert?

In der Hypnose begibt man sich in einen Zustand der besonderen Entspannung, den sehr viele Menschen als angenehm erleben. Gleichzeitig ist es auch ein bisschen Typ-Sache. Etwa 10 Prozent sollen, so heißt es, nicht gut auf Hypnose ansprechen. Deshalb würde ich es einfach mal ausprobieren und gucken, wie es mir damit geht. Wenn es nicht passt, bitte nicht traurig sein oder den Kopf in den Sand stecken. Es gibt viele tolle Möglichkeiten sich zu entspannen- durch Achtsamkeit, durch Progressive Muskelentspannung, durch Atemübungen oder einfach einen erholsamen Waldspaziergang. Ich würde mich auf die Suche begeben und schauen, was am besten zu mir passt.

Danke für das Gespräch.

Dr. Sarah Karrasch

ist klinische Hypnotherapeutin, Psychologin und hat ihre Promotion zum Thema „Breaking the Circle of Stress, Inflammation, and Disease – The Influence of Hypnosis on Interacting Psychological and Biomolecular Processes“ geschrieben. Sie hat sich in ihrer Praxis unter anderem auf die hypnotherapeutische Geburtsvorbereitung spezialisiert.