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Pfingsten vor zwei Jahren. Frühmorgens saßen wir im Auto nach Köln, holten die Oma ab und fuhren weiter in die Eifel. Dort feierten wir in einem Bauernhof-Café den Geburtstag der Patentante. Es war ein schöner Tag. Auf Holztischen lagen rot-weiß karierte Decken, es gab frische Waffeln, und irgendwo grasten braune Pferde mit sanften Augen auf einer Koppel.
Einige Stunden später stand ich am Kölner Hauptbahnhof und fragte mich, wieso ich mich in diese Situation gebracht hatte.
Pfingstsamstag 2022 war der Tag, an dem gefühlt die halbe Bundesrepublik mit dem Neun-Euro-Ticket von A nach B fuhr. An Bahnsteigen und auf Rolltreppen herrschte Stadion-Gedränge. Die Züge kamen gar nicht oder mit Verspätung. Öffneten sie ihre Türen, bewegte sich die reiselustige Menschenmenge auf sie zu und entwickelte eine bedrohliche Schubkraft.
Hätte ich nicht ahnen können, dass es so voll wird? Und warum waren die Verantwortlichen bei der Bahn so naiv gewesen? Darüber dachte ich später auf meinem Stehplatz in einem überfüllten S-Bahn-Abteil nach. Es war heiß, und wegen der ungewohnten Last bewegte sich der Zug langsamer als sonst vorwärts. Ich hatte Zeit.
Ich dachte mich aus dem überfüllten Zug weg und malte mir die Ankunft zu Hause aus.
Ich stellte mir vor, wie ich den Schlüssel im Schloss umdrehe und die Schuhe im Windfang ausziehe. Ich schleudere sie vielmehr von den Füßen, diese viel zu warmen Schuhe mitsamt der Strümpfe. Schuhe sind “Teil der Rüstung, die wir uns anlegen, wenn wir das Haus verlassen”, schreibt Katherine May in ihrem wunderbaren Buch “Der Zauber der Welt”. Seit ich es las, kann ich nicht mehr anders über Schuhe nachdenken als an einen Panzer, der zu Hause überflüssig wird. Indem man die Schuhe ablegt, zeigt man, “dass man darauf vertraut, einen freundlichen Ort zu betreten”. So laufe ich in der Fantasie barfuß über den kühlen Steinfußboden. Jeder Schritt ein Genuss. Jeder Schritt Kühlung. Schattige Stille umfängt mich. Und dann geht es hinaus auf den blühenden Balkon.
Je mehr ich das Zuhause herbei sehnte, desto klarer wurde mir, dass der Moment des Nach-Hause-Kommens ein besonderer Augenblick ist. Nach einem anstrengenden Arbeitstag zum Beispiel. Oder beladen mit schweren Einkaufstüten, die man auf den Tisch stellt und sich einen Moment Pause gönnt. An kalten Tagen ist es die gemütliche Wärme, die einen umfängt, im Sommer der angenehme Schatten. Und man fühlt sich in den eigenen vier Wänden sicher – zumindest sollte es so sein. Ein solches Zuhause ist Luxus, nicht zuletzt für Menschen ohne Obdach oder auf der Flucht.
Als ich den backsteinroten Bahnhof in der Nähe meines Zuhauses erreichte, hatte ich die Fantasereise “ blühender Balkon” im Geiste bereits geschrieben.
Heute erscheint von dieser Fantasiereise eine komplett neu produzierte Fassung mit einem etwas anderen Inhalt. Aber auch hier geht es um das Gefühl des Nach-Hause-Kommens.
Dein blühender Balkon oder blühender Garten ist in dieser Reise ein Ort, an dem die Pflanzen wachsen dürfen, wie sie mögen.
Da ist Lavendel. Löwenmäulchen gleichen schlanken Kerzen. Und Blauregen lässt seine Blütenstände wie Wasserfälle in die Tiefe sinken.
Dann entdeckst du eine Gießkanne, die immer gefüllt ist und niemals versiegt.
Und du verstehst, dass auf deinem blühenden Balkon alles im Überfluss vorhanden ist. Und manche Menschen fühlen sich dadurch reich beschenkt und lassen das Gefühl der Fülle Wurzeln schlagen in ihrem Inneren. Während du vielleicht immer zufriedener wirst.
Auf dem Balkon steht auch eine Liege bereit. Sie ist eine Einladung an dich, es dir bequem zu machen. Genau das hab ich damals gemacht. Und immer, wenn ich heute einen Balkon oder Ort der Ruhe betrete, denke ich kurz an dieses Gefühl der Erleichterung, das mich damals erfasste. Endlich Ankommen. Endlich Zeit. Endlich Ruhe.