Murakami & me
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Wenn ich an Haruki Murakami denke, denke ich an Toru Okada aus dem Roman „Mister Aufziehvogel“ und die Portion Spagetti, die er sich in seiner kleinen Wohnung in Tokio zubereitet. Toru Okada ist auf der Suche nach seiner verschwundenen Frau Kumiko und der Katze, die sich ebenfalls in Luft aufgelöst hat. Für das Kochen von Spaghetti hat Toru Okada trotzdem Zeit. Er füllt Wasser in einen Topf, gibt etwas Salz hinzu und wartet, bis durch die Hitze der Herdplatte Blasen im Wasser aufsteigen. Dann setzt er einen Bund Spaghetti hinein und beobachtet, wie die Nudeln unten weich werden, einknicken und schließlich ein kleines Nest im Wasser bilden, ein Gewirr von Schnüren aus Hartweizengries.

Magie des Alltags

Währenddessen denkt Toru Okada nach. Wo ist Kumiko? Wie kann er sie finden? Und was haben seine Visionen aus dem Brunnen zu bedeuten? Er steigt regelmäßig auf den Grund eines Brunnens im Garten eines verlassenen Hauses hinab und meditiert dort über den Zusammenhang mysteriöser Ereignisse in seinem Leben – wie dem Auftauchen der Hellseherin Malta Kano.

Das Zubereiten der Spaghetti schenkt Toru Okada einen Moment der Ruhe in einer turbulenten Zeit. Einen Augenblick der Achtsamkeit, auch wenn dieses Wort im Roman nicht vorkommt. Im Japanischen könnte man Achtsamkeit wohl am ehesten mit „Zazen“ übersetzen, doch während Achtsamkeit sekulär ist, zielt Zazen, aus der Tradition des Zen-Buddhismus stammend, auf spirituelle Erleuchtung ab

Murakami im Sommer

Bei Haruki Murakami kommt mir außerdem ein Sommermorgen in den Sinn. Ich stehe barfuß auf einer Wiese, irgendwo in der Ferne rattert ein Rasenmäher, und der Duft von frisch geschnittenem Gras liegt in der Luft. Hinter mir strahlt ein Bungalow weiß im Schein der aufgehenden Sonne, und in einem Freibad teilt sich türkisfarbenes Wasser in lange Bahnen. Es wird ein heißer Tag.

Damals, als ich Murakami las, zelebrierte ich das Kochen von Nudeln. Ich feierte jeden Handgriff und wünschte, ich könnte genauso schön schreiben wie er.

Inspiration und Läuferhoch

Ich fand heraus, dass Murakami Frühaufsteher ist, eine Lerche wie ich. Er setzt sich um 4 Uhr noch vor Sonnenaufgang an den Schreibtisch, arbeitet vier, fünf Stunden konzentriert und geht anschließend joggen. Ich machte all das nicht und kaufte mir sein Buch: „Wovon ich rede, wenn ich vom Laufen rede“. Dann joggte ich morgens an einem Fluss entlang und wartete auf die Ausschüttung von Endorphinen, auf den Runner’s High. Mir passierte es selten. Nur einmal, als im Herbst Ahornblätter durch die Luft wirbelten, fühlte ich mich, als könnte ich vor Glück mit ihnen aufsteigen.

Ich ging in eine Bäckerei, traf eine Freundin, und entschloss mich, einen Roman im Stil von Murakami zu schreiben. Er wurde ein weiteres unvollendetes Manuskript auf einem Computer, den ich irgendwann ohne Sicherungskopie zum Recyclinghof brachte.

Eine neue Entdeckung

Diesen Sommer sah ich Murakamis Roman „Die Stadt und ihre ungewisse Mauer“ auf dem Büchertisch und kaufte es entgegen meiner Gewohnheit als Hardcover. Der pastellfarbene Einband mit der erhabenen Schrift gefiel mir. Vielleicht, so dachte ich, komme ich wieder in diese besondere Stimmung, die ich beim Lesen von „Naokos Lächeln“ empfand. Diese magische und ruhige Stimmung, in der sich Sätze langsam entfalten und verschachteln wie Origami – auch wenn sie manchmal etwas umständlich sind. Gibt es heutzutage noch Menschen, die so bedächtig sind wie der namenlose Erzähler, der sich mit siebzehn Jahren unsterblich verliebt und auf der Suche nach seiner Freundin in eine geheimnisvolle Bibliothek gelangt?

Das rätselhafte Café

Ich hatte wieder Lust, wie Murakami zu schreiben – und so kam mir die Idee für die Traumreise „Das rätselhafte Café in Tokio“. Dafür ließ ich mich von Murakami inspirieren und lade dich in der Fantasiereise in ein nächtliches Tokio ein. Ein sanftes Summen liegt über der Stadt, und du entdeckst eine Treppe, die dich Stufe um Stufe in die Tiefe führt. Dabei, in diesem Zazen- oder Achtsamkeitsmoment, darfst du immer entspannter, immer ruhiger werden. Vielleicht denkst du auch an Murakamis Roman „1Q84“. In ihm steigt die Fitnesstrainerin Aomame, übersetzt „kleine Erbse“, eine Treppe hinab und gelangt dadurch in eine alternative Realität. Im Roman ist die Treppe ein Symbol für den Übergang zwischen verschiedenen Wirklichkeiten. In der Hypnose kennen wir sie als Mittel, um die Entspannung, die Trance, zu vertiefen.

Auf einem Treppenabsatz entdeckst du schließlich einen geheimnisvollen Ort. Eine weitere Tür öffnet sich – und du stehst in einem Café, in dem Jazz gespielt wird. Du hörst das Knacken und Knistern einer Schallplatte und siehst, wie draußen, in einer schmalen Gasse, eine Pfütze im Schein der Laterne glänzt. An den Scheiben läuft Regen in Rinnsalen wie Spuren von Tränen herunter, und du darfst dich hinsetzen und dir einen Platz suchen. Wenn du magst, hör doch einmal in die Traumreise herein.

Hajos Musik kam erstmals im „Funkelwald“ zum Einsatz, seitdem habe ich sie fast nie wieder verwendet. Aber sie ist eisblau und passt für mich perfekt zum Abstieg auf der Treppe und dem Einstieg in die Entspannung.