Frau Spannbauer, warum erleben viele gerade den Advent als stressig?
Das hat mit unseren eigenen Erwartungen und denen der Gesellschaft zu tun. Wir wünschen uns eine behagliche und stille Adventszeit, gleichzeitig finden zahlreiche Termine statt: Plätzchenbacken, Basteln, Weihnachtsfeiern. Außerdem müssen wir Weihnachtsgeschenke besorgen. Die Erwartung, allem gleichermaßen zu entsprechen, führt rasch zu Druck. Dem können wir aber gut durch Achtsamkeit begegnen.
Was genau bedeutet denn Achtsamkeit genau?
Achtsamkeit heißt nichts anderes, als im Hier und Jetzt zu sein und die Gegenwart mit allen Sinnen zu erfahren. Wie geht es mir, und wie fühlt sich mein Körper an? Das sind Fragen, die wir uns in einem kurzen Achtsamkeitscheck eigentlich überall stellen können – ob es nun in der U-Bahn ist oder im Wartezimmer einer Ärztin.
Was passiert, wenn mein Achtsamkeitscheck ergibt, dass mich der Stress mit innerer Unruhe und verspannten Schultern voll im Griff hat?
Ein wichtiger Rat ist: Geh raus in die Winterluft! Flute den Körper mit Sauerstoff. Das hilft gegen die schreckliche Erschöpfung, die wir insbesondere in den kalten Monaten verspüren. Draußen gilt es dann, einfach bewusst zu atmen: Einatmen. Ausatmen. Einatmen. Dabei kann man die Natur mit allen Sinnen wahrnehmen: Wie riecht die Luft? Wie sehen die Bäume aus? Wie fühlt sich die Baumrinde an? Was höre ich, was schmecke ich? Dadurch kommen wir wieder im eigenen Körper an. Gerade der Advent, in dem überall Lichter flackern, es nach Orangen oder Nelken duftet und Weihnachtslieder erklingen, bietet sich für eine solche Wahrnehmung an.
Für Achtsamkeit ist auch die Selbstfürsorge wichtig.
Absolut. Im Advent platzt der Terminkalender aus allen Nähten, und deshalb nehmen sich viele Menschen keine Zeit mehr für sich selbst. Sie glauben, darauf könnten sie noch am ehesten verzichten. Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall. Denn man brennt dadurch aus. Wenn es mir gelingt, kleine Oasen der Selbstfürsorge in meinen Alltag einzubauen, mir vielleicht eine Massage zu gönnen oder in die Sauna zu gehen, trägt diese Zeit viel Nährstoff in sich, sodass ich den weiteren Herausforderungen wieder mit neuer Kraft begegne. Außerdem lohnt es sich immer, die Stresssituation genau zu hinterfragen: Habe ich gerade wirklich so einen Stress, oder mache ich ihn mir selbst? Vielleicht stresst mich schon der Gedanke, abends noch zu einer Adventsfeier in der Kita zu gehen.
Wie kann ich hier ausbrechen?
Indem ich den Gedanken verändere und mir sage: Ich freue mich darauf, die glücklichen Kinder zu sehen und mich mit einigen Eltern nett zu unterhalten. Wenn wir frisch verliebt sind, kommen wir ja auch nicht auf die Idee zu sagen, dass wir dafür keine Zeit haben. Es ist immer eine Frage der Perspektive. Und die Perspektive lässt sich verändern.
In vielen Familien knallt es Weihnachten. Wie kann ich durch Achtsamkeit Heiligabend und an den Feiertagen gute Laune bewahren?
Wenn sich die große Familie trifft, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass in dieser Konstellation alte Wunden und Kränkungen aufbrechen. Eine Möglichkeit wäre, offene Konflikte im Vorfeld auszukundschaften: Steht meinerseits noch irgendwo eine Entschuldigung aus? Habe ich einem Geschwisterteil irgendwas nicht verziehen? Wie kann ich damit umgehen? Man kann über solche Fragen reflektieren und eventuell Streitpunkte bereinigen. Am Fest selbst könnte man ganz konkret die Sitzordnung am Familientisch verändern. Dadurch gerät das tradierte Gefüge durcheinander, und ich muss nicht auf dem Stuhl Platz nehmen, auf dem ich mich vielleicht schon als Kind ohnmächtig gefühlt habe.
Wie reagiere ich, wenn es eskaliert?
In der Achtsamkeitspraxis haben sich vier Schritte bewährt: Die Situation erkennen, die Situation benennen, die Situation erforschen und dann akzeptieren. Fehlen dafür Zeit und Muße, funktioniert ein Achtsamkeitsbreak. Dafür halte ich kurz inne und atme dreimal tief ein und aus. Oft stellen sich dadurch Gelassenheit und innere Distanz ein. Vielleicht kann man ja auch hier einen Moment vor die Tür treten und sich in der frischen Luft sammeln. Danach kann der Konflikt mit einer ganz anderen inneren Haltung geklärt werden.
Wie praktizieren Sie selbst Achtsamkeit im Alltag?
Ich mache jeden Morgen ein paar Yogaübungen. Außerdem habe ich das Glück, einen Hund zu besitzen. Mit ihm drehe ich morgens eine Runde im Park und erfreue mich an der Natur. Mein Handy bleibt in jener Zeit selbstverständlich zu Hause – denn sonst würde aus meinem kleinen Achtsamkeitsspaziergang schnell ein berufliches Meeting. Und genau das möchte ich ja vermeiden.
Danke für das Gespräch.
Christa Spannbauer ermutigt Menschen zu einem achtsamen Leben. In ihren Büchern und Seminaren greift sie auf ihre Ausbildung im achtsamkeitsbasierten Mitgefühlstraining und eine jahrelange Zenpraxis zurück. Von ihr stammt ein Adventskalender in Buchform zum Thema Achtsamkeit: „24 Tage Achtsamkeit: Impulse für eine etwas andere Adventszeit“. Verlag Herder 2019, 12,00 €.
Tipps für einen stressfreien Advent
- Plane feste Zeiten für Pausen: Lege Zeiten fest, an denen du bewusst entspannst. Ein kurzer Spaziergang oder ein paar Minuten ruhiges Atmen helfen, Stress abzubauen.
- Vermeide Perfektionismus: Es muss nicht alles perfekt sein. Setze Prioritäten und lass den Druck los, alles schaffen zu müssen.
- Genieße die Natur: Ein Spaziergang im Wald oder Park kann Wunder wirken. Nimm dir Zeit, um die winterliche Atmosphäre bewusst wahrzunehmen.
- Schaffe „Self-Care“-Inseln: Gönne dir bewusste Momente nur für dich, sei es bei einem heißen Bad, einer Massage oder einer Tasse Tee.
- Reduziere Termine und Verpflichtungen: Sage auch mal Nein. Überlege, welche Termine wirklich notwendig sind und welche du absagen kannst.
- Achtsamkeit im Alltag üben: Nutze kurze Momente, um bewusst im Hier und Jetzt zu sein. Selbst kleine Achtsamkeitsübungen können den Tag entspannter machen.
- Freude statt Pflichtgefühl: Fokussiere dich darauf, was dir am Advent wirklich Freude bereitet, anstatt dich zu verpflichten, alles mitmachen zu müssen.
- Schaffe Rituale, die dir guttun: Entwickle persönliche Adventsrituale, die dir Ruhe und Besinnlichkeit bringen – z. B. Kerzen anzünden oder ein weihnachtliches Buch lesen.
Diese Tipps können dabei helfen, die Adventszeit stressfreier und bewusster zu erleben.
Vergangene Woche auf dem Podcast
- Anti-Angst-Tier-Reise:
In dieser Traumreise begegnest du deinem persönlichen Anti-Angst-Tier, einem inneren Begleiter, der dir Geborgenheit und Stärke schenkt. Durch sanfte Atemmeditation, Visualisierungen und Techniken aus der Hypnose möchte dir die Reise helfen, Angstgefühle loszulassen – ideal zum Einschlafen oder für eine beruhigende Auszeit. - Frostglanz Eishotel aus der Serie der Dreamtime Stories. In dieser Traumreise entdeckst du in einem Hotelzimmer deinen persönlichen Ruheort. Dieser aus der Hypnose bekannte Ort hilft dir, tief zu entspannen und den Alltag hinter dir zu lassen. Du entdeckst ihn mit Hilfe eines Achtsamkeits-Checks.
❄️ Dienstag: Dreamtime Story für den Advent: Das Winterwunderland der Schneekugel
Passend zur Adventszeit erwartet dich in der kommenden Woche eine neue Folge der Dreamtime Stories. Die Traumreise führt dich in eine riesige Schneekugel, in der ein lebendiger Adventskalender auf dich wartet. Mit jeder Tür, die du öffnest, tauchst du achtsam in eine neue Winterlandschaft ein und spürst die stille Magie der Natur. Am Ende erwartet dich ein gemütliches Häuschen voller Geschichten, in dem du zur Ruhe kommen und entspannt in den Schlaf gleiten kannst.
Verfügbar ab nächster Woche auf YouTube, Spotify, Apple usw.
Außerdem erscheint Sonntagabend eine neue Variante der Anti-Angst-Tier-Reise mit längeren Pausen, anderer Musik und ohne Vogelflug. Sie heißt: Dein Mutmach-Tier.
Entspannung wirkt unterstützen.
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