2014 reisten wir als Familie mit unserer zweijährigen Tochter durch Kalifornien und starten in San Francisco. Über Los Angeles ging es nach Las Vegas, mit einem Schlenker an den Grand Canyon zurück durch das Death Valley und den Yosemite National Park. Lana del Rey hat damals ihr zweites Studioalbum Ultraviolence veröffentlicht und lief häufig im Radio. Die Sender spielten Video Games mit Harfen wie ein Wasserfall, Brooklyn Baby, Dream Pop, der von Hipster-Subkultur in New York erzählt, oder Westcoast mit bluesigen Gitarren.
Am Anfang sah ich zu ihren Klängen aus dem Fenster auf den pazifischen Ozean, der wie flüssiges Silber bis zum Horizont schwappte.
Dann tauchten hier und da Städtchen mit weißen Veranden vor Holzhäusern auf. In der Wüste Felsformationen wie aus einem Science-Fiction-Film, darüber ein diesiger Himmel.
In den Nationalparks am Rande der Sierra Nevada wuchsen sattgrüne Kiefern meterhoch in den Himmel, überragt von uralten Sequoias mit faserigen Rinden. Die Morgensonne glänzte rosafarben auf weißen Bergspitzen. Summertime Sadness von Lana del Rey. Sommetraurigkeit: Gibt es das Wort? Das Gefühl existiert: Der Sommer ist heiß, wenn die Tage kälter und kürzer werden, zieht sich das Herz ein bisschen zusammen bei dem Gedanken an das Ende.
Besonders schön war es in Big Pine. Big Pine liegt am Highway 395 am Rande der Mojave-Wüste, die Orte ringsumher heißen Hot Spring, Fish Springs, Zurich ist eine Geisterstadt, und auch Big Pine wirkt wie ein Lost Place. Es gibt eine Hauptstraße, ein Tierheim, einen Supermarkt, einen BBQ-Grill und das Bristlecone-Motel, in dem wir übernachteten.
Wir wuschen unsere Schmutzwäsche in der Laundry, und während die Maschine schleuderte, wartete ich an der Straße. Gegenüber parkte ein Truck, die White Mountains lagen im Schatten, meine Tochter übte Laufen.
Irgendwann war es dunkel. Grillen zirpten, und ich blickte in einen pechschwarzen Himmel. Die Sterne funkelten in einer Weise, die man aus der Stadt nicht kennt. Hell und klar und zahlreich. Weiße Pünktchen, die ihr Licht vor vielen Jahrhunderten auf die Reise geschickt haben. Summertime Sadness. Ich machte damals bewusst die Augen für einige Sekunden zu – so, als würden sich die Blenden einer alten Fotokamera schließen. Auf diese Weise knipste ich den Moment und speicherte ihn in meinem Archiv besonderer Erinnerungen. So wie ich es als Kind gemacht hatte, als ich ein Loch in die Blüte einer Rose riss und in die Sonne blickte – das hatte ich aus dem Andersen-Märchen Die wilden Schwäne.
Und ist es nicht so, dass Songs einen genau wie Gerüche blitzschnell in die Vergangenheit zurückkatapultierten? Letztens bog ich mit dem Auto um eine Ecke, Summertime Sadness im Radio und wieder sah ich das Bild aus Big Pine vor mir.
Big Pine, der Abend, an dem die Sterne glitzerten wie Splitter von Diamanten und der Kies unter meinen Füßen knirschte.
Westcoast Dreams
Heute – über zehn Jahre später – lasse ich mich von solchen Erinnerungen inspirieren, wenn ich geführte Einschlafhypnosen und Traumreisen entwickle. Musik spielt dabei eine zentrale Rolle: In meiner neuesten Meditation geht es zurück an die Westküste – begleitet von Meeresrauschen, Hypnosesuggestionen und Anklängen an Songs wie Happiness is a Butterfly. Und natürlich nutze ich auch die Erkenntnisse aus der Schlafforschung: Zum Beispiel die von Prof. Björn Rasch, der zeigen konnte, dass bildhafte Formulierungen wie „ein Fisch, der tiefer und tiefer taucht“ in der Hypnose nachweislich den Tiefschlaf fördern. Hör dir gerne meinen Wegweiser für die Hypnose an.
Tracks & Träume
In der Rubrik Tracks und Träume besprechen Hajo und ich den Song Without you von Lana del Rey, den sie 2013 im Amoeba Plattenladen in Los Angeles performte und der ursprünglich unter dem Titel China Doll bekannt war. Hier sind Hajo und ich erstmals nicht einer Meinung. Ich bin gespannt, was du denkst! Und ob dir mein Einschlafimpuls gefällt, den ich aus dem Song ableite.
Buch der Woche
Ich lese gerade Liebe und Hass von Martin Suter. Auf den ersten Seiten fällt mir auf, wie viel getrunken wird: Champagner, Mojitos, Ouzo. Trotzdem mag ich auch dieses Mal den bürgerlich-glamourösen Lifestyle, dieses Eintauchen in eine Welt der Etikette, in der die Zeit langsamer zu vergehen scheint. Mein bisheriger Lieblingssatz ist eine einfache Beschreibung:
Die Eingangstür wurde von einem Keil offen gehalten, doch die Luft, die hereinfloss, war sogar noch noch wärmer als in der Blauen Tulpe. Trotz der hellen Straßenbeleuchtung konnte man im dunkelnden Himmel Sterne sehen.